Wusterhusen hat einen „Denkmalplatz“. Ohne Denkmal. Die Bronzestatue „Bewaffneter Arbeiter“ von Hans Kies, die an den Landarbeiterwiderstand gegen den Kapp-Putsch 1920 erinnert und auch in Berlin steht *1, ist verschwunden.
Sie stand in Wusterhusen als Denkmal für Bruno Jackley, der bei Kämpfen im März 1920 um das Wasserwerk Diedrichshagen von der Soldateska des Kapp-Putsches ermordet worden sein soll. *2
Wie es aussieht, ist es Anfang der 90-er an einen Greifswalder „Kunsthändler“ verkauft worden.
Jedenfalls taucht die Statue in der Denkmalliste des Kreises Ostvorpommern von 1996 nicht mehr auf. Die Landkreise hatten nach dem Denkmalschutzgesetz MV von 1991 die Aufgabe, bis 1996 alle Denkmäler zu erfassen. (Eine Liste der Denkmäler des DDR-Kreises Greifswald habe ich bisher nicht gefunden.)
Der Evangelischen Akademie der Nordkirche haben wir es zu verdanken, dass wir nun wissen, wo sich die Statue derzeit befindet (den Link ziemlich weit nach unten scrollen): bei einem Kunsthändler in Neustrelitz, der sie auch über ebay für 22.000 EUR anbietet. Der Händler bestätigte mir, dass er die Bronze 2000 von einem Greifswalder Händler kaufte.
Ich würde die Statue gern wieder nach Wusterhusen holen. Zumal ein aktueller Anlass besteht:
Im März 2020 ist der 100. Jahrestag des Kapp-Putsches. Ein guter Anlass, um das Denkmal als Mahnmal gegen die Folgen deutscher Volkstümlerei zu nutzen. Die Truppen, auf deren Gewehrläufen gestützt der Lüttwitz-Kapp-Putsch erfolgte, hatten oft als Zeichen für ihren „Patriotismus“ das Hakenkreuz auf ihren Stahlhelm, das später das Symbol des Faschismus wurde. Und SA und NSDAP rekrutierten sich insbesondere aus den Zeitfreiwilligen dieser Truppen. Zeitfreiwillige des in Greifswald stationierten Bataillons ermordeten auch Jackley.*3
In diesem Zusammenhang besonders bedenklich finde ich, dass offenbar dieselben, die in blinder Wut gegen ein vermeintliches Symbol der DDR die Statue verkauften (was auch damals eine schwere Ordnungswidrigkeit und Barbarei war), den Reichsadler ausfindig machten und wieder auf das Kriegerdenkmal stellten. Denn Reichsadler und Kriegerdenkmal stehen wiederum für den Nationalismus des Kaiserreiches, den die Zeitfreiwilligen des Kapp-Putsches weitertrugen. (Auch die Forscher der Evangelischen Akademie sehen es so.)
Also wehret den Anfängen. Die Geschichte zeigt, wohin das führen kann. Inzwischen weiß ich, dass in Greifswald ein Historiker lebt, der in den 50-ern zum Kapp-Putsch forschte. Ich werde die Sache weiterverfolgen.
Update 17.05.:
Am 16.05. stellte ich auf der Sitzung der Gemeindevertretung die Frage, ob jemand klären könnte, wie die Statue nach Greifswald kam.
Bürgermeister Köpnick meinte, damals bereits BM gewesen zu sein. Seines Wissens nach wurde die Statue nach dem Willen der Gemeindevertretung entfernt und eingelagert. Als „Ausgleich“ dafür, dass der Reichsadler vom Kriegerdenkmal verschwunden war. Während jedoch ein Katzower Künstler den Auftrag bekam, einen neuen Reichsadler anzufertigen, der dann auch wieder aufs Denkmal kam, sollte die Statue tatsächlich verschrottet werden. Das sei aber nach dem Hinweis der damaligen Gemeindesekretärin, dass die Statue den Erben des Künstlers gehören würde, nicht erfolgt. Wie sie nach Greifswald kam (meinen Recherchen nach zum Schrott- und Kunsthändler Thomas Wandt, den es leider nicht mehr dort gibt), wisse er auch nicht. „Verkauft wurde Jackley jedoch nicht“, ist sich Köpnick sicher.
Ich lache mir einen Ast.
Die Statue wurde auf einen Acker gebracht und vergraben.
Auf dem Acker ist sie nicht mehr. Sie steht in Neustrelitz auf dem Hof eines Antiquitätenhändlers.
Hallo,
das war schon klar. Das Auftauchen in Neustrelitz war ja Auslöser für diesen Blogbeitrag.
Update 05.07.
Am 12.06. informierte ich die Untere Denkmalbehörde in Anklam über den „Fund“ eines Denkmals. (In cc auch den amtierenden Landeskurator) Denn dazu ist man laut §11 des Denkmalschutzgesetzes Mecklenburg-Vorpommern verpflichtet.
Ich bat die Behörde, dass die Bronzestatue als Denkmal gesichert wird. Schließlich sei eine Kopie(!) der Statue in Berlin als Bestandteil der „Gedenkstätte für Opfer des Kapp-Putsches“ auf den Friedhof Adlershof (Friedländer Straße 156) als Denkmal erfasst. Also könne man davon ausgehen, dass die Sicherung als Denkmal auch in M-V im öffentlichen Interesse läge.
Als Journalist bat ich darüber hinaus, mir folgende Fragen zu beantworten (Kopie an Pressestelle des Landkreises)
•Warum wurde die Statue nicht erfasst, obwohl die damaligen Denkmalschützer durch die Gedenktafel, die sich an Stelle der Statue auf dem „Denkmalplatz“ befindet, darauf aufmerksam gemacht wurden?
•Wie und wann kam die Statue nach Greifswald? Wurde dies von der damaligen Denkmalschutzbehörde genehmigt bzw. warum konnte es an der Behörde vorbei erfolgen?
•Welche Möglichkeiten gibt es, dass die Statue wieder in Wusterhusen aufgestellt und ggfs. restauriert werden könnte?
Auf Nachfrage (und auch erst auf Nachfrage!) bestätigte mir die Leiterin der Behörde am 02.07.den Eingang.
Hallo, mein Name ist Günter Gleising und ich seit vielen Jahren publizistisch in Sachen Kapp-Lüttwitz-Putsch unterwegs, zuerst im Ruhrgebiet, dann auch in anderen Regionen. Jetztz bin ich in den letzten Zügen über mein Buch über Mecklenburg und Pommern in der Sache. Natürlich war ich auch in Wusterhusen, leider erfolglos, das Denkmal war weg. Nachfragen verliefen erfolglos. Nun stoße ich heute auf ihre Seite und freue mich über diese Wendung, die ich gerne noch im Buch aufnehmen will.
E s wäre schön wenn Sie sich zeitnah bei mir melden könnten..
Hallo, auch ich bin angenehm überrascht. Ich melde mich per Mail.
Bis dann!
Hallo‘ mein Name ist Teut Heuer ! ich war Bgm in Wusterhausen von März 90 bis 92 Mai. Die Skulptur wude einglagert. Die Eigentumsfrage war nicht geklärt.Die Gemeindevertretung hatte es auch so beschlossen.Was dann nach meiner Amtszeit geschah ist mir nicht bekannt. Aber glauben Sie mir,die Gemeinden hatten damals mit ganz anderen Problemen zu tun. Dass der „Adler“ wieder auf dem alten Denkmal in Wusterhausen steht war eine Voraussetzung war,dass es seit 19.01.2013 ein Denkmalgeschütztes Kriegerdenkmal ist,das in Wusterhausen steht Und Herr Offel auch an den vorherigen Herrn gerichtet: Sie waren doch gar nicht dabei und ihr wisst,nach dreißig Jahren wie es war? Gerne stehe ich für weitere Fragen zur Verfügung. Unter teumaheu@gmx.de
Hallo Teut,
schön, dass du dich meldest (Falls du es bist, denn die falsche Schreibweise von Wuhu lässt mich zweifeln).
Aber deine Erregung ist falsch am Platz. Denn ich versuche ja gerade aufzuklären, was damals passiert sein könnte. Du musst eingestehen, dass sich die Lage auf den ersten Blick so darstellt, als wenn die Gemeindevertretung das Denkmal (und das war die Statue schon damals nach Rechtslage. du hast also mit der Einlagerung eine Ordnungswidrigkeit begangen) verkaufen wollte, um Geld einzunehmen. Schlimmstenfalls, um die (schlechte) Neuanfertigung des Adlers zu finanzieren. Aber vielleicht kannst du ja jetzt zur Aufklärung beitragen. Zumindest könntest du meinen Verdacht ent- oder bekräftigen, dass es politische Motive waren, die „Bruno Jackley“ stürzten.
Gerade habe ich eine Antwort geschrieben. Aber wie wundersam, sie ist verschwunden. Aber egal! Kurzfassung: Jackley und Kriegerdenkmal sind völlig unabhängig voneinander, eben nur zeitlich nahe beieinander. Der Adler wurde schon in tiefster DDR Zeit des nachtens vom Sockel genommen. Den Erzählungen der älteren Wusterhusenern nach, liegt er in einem der vielen Dorfteiche. Die Gemeindevertretung hatte beschlossen,1990, dass ein neuer Adler das Denkmal des Kirchenspiels Wusterhusen wieder komplettiert.
Bruno Jackley stand mitten im Dorf und diente zu staatlichen Feiertagen für Apelle und Aufmärsche. Nachdem die Gemeindevertretung beschlossen hatte, die Skulptur wegzunehmen und den Platz anderweitig zu nutzen, wurde sie auf meinen Vorschlag in der Garage der Gemeinde eingelagert. Ich hatte mich bei einem DDR Bildhauer, Diedrich, neben Jo Jastram, der bekannteste Bildhauer jüngerer DDR Geschichte. Dieser informierte mich darüber, dass diese Skulpturen nach wie vor Eigentum des jeweiligen Künstlers seien. Daher die Einlagerung in Räumlichkeiten der Gemeinde. Was dann später geschah, kann ich nicht sagen. Aber bevor nun weiter spekuliert wird, sollte man in den Archiven des Amtes Lubmin nach entsprechenden Sitzungsprotokollen suchen.
Wenn es Fragen gibt, immer her damit. Teut Heuer
Hallo Teut,
ja, deine erste Antwort landete im SPAM. Denn ich habe festgelegt, dass die Kommentare vorher vom Admin freigegeben werden müssen. Nur Autoren, deren Beiträge ich zuvor bereits mal freigegeben habe, können ohne Prüfung kommentieren. Aber du hattest dieses Mal deinen eigenen Namen falsch geschrieben, …
Ich habe deine beiden Kommentare zusammengefasst. Mehr dazu per Mail.
Edgar
Burkhard Koepnick hat mir kurz vor der Wahl 2019 persönlich gesagt, dass er die Statue auf einen Acker vergraben ließ.
Aber wenn sie jetzt in Neustrelitz steht, dann entspricht das wohl nicht der Wahrheit.